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snecko
Auszug aus der Rede zur Ausstellungseröffnung „still“,
Diane Welke im Kurfürstlichen Gärtnerhaus, 29.01.2017

… Bei der Stillebenmalerei, wie auch in der Fotografie, handelt es sich also explizit um eine „Laborsituation“, um eine „gezähmte Wirklichkeit“. Keine andere Gattung erfordert und ermöglicht in vergleichbarer Weise einen Rückzug ins Atelier. Bei Diane Welke handelt es sich dabei um einen Kellerraum, der den sattschwarzen Hintergrund zu ihren sorgfältig inszenierten Stillleben abgibt. Und der für die Hauptdarsteller ihrer neuen Werkgruppe „snecko“ für einige Tage zum Lebensraum wird… Trägheit, Hochmut, Zorn, Völlerei, Gier, Neid und Wollust – das sind die von Thomas von Aquin an der Wende zum 14. Jahrhundert definierten Hauptsünden, in die sich der Mensch immer wieder zum eigenen Schaden und zum Schaden anderer verstricken lässt… Diane Welkes Fotografien übersetzen diese menschlichen Verwerfungen allerdings mit humorvoller Leichtigkeit: sie lässt ihre faulen Schnecken in Nylonstrümpfen abhängen, aus der gefährlichen ‚Hochmuthöhe’ feiner Sammeltassen abstürzen oder schickt sie auf die Rennbahn eines Lampenschirms zur gierig begehrten Möhre – gerne auch mal auf dem Rücken eines anderen Tieres. Dumm scheinen Schnecken beileibe nicht zu sein. …Diane Welke beschäftigt sich in ihrem ganzen Werk mit der Frage der Zeitlichkeit. Nach dem Anwesenden und Abwesenden und nach der Verschränkung von beidem. Sie richtet ihre künstlerische Aufmerksamkeit dabei auf das zumeist Übersehene und Unbedeutende und wählt nicht ohne Grund häufig das kleine Format. Es sind nicht die seltenen Höhepunkte sondern es ist die Alltagsroutine, es sind die simplen Dinge, die sie interessieren. Mit leichter Melancholie aber auch einer Lust am Skurrilen wird unsere Lebenswelt den Blick genommen, ins Licht gerückt.

Dr. Martina Padberg, Kunsthistorikerin

 
snecko
snecko: Die sieben Todsünden | 6 Fotografien, 1 Video
Kurfürstliches Gärtnerhaus Bonn 2017
 
     

es ist alles ganz eitel
Diane Welkes Fotografien.
Die Begegnung von Stillleben und Portraitkunst.

Mit großer Sorgfalt bereitet Diane Welke die Arrangements vor, die als Grundlage ihrer Fotografien dienen. Verschiedenste Gegenstände wie Krüge, Gläser, Becher, Körbe oder Bücher müssen positioniert werden. Diverse Früchte, Gemüse, kleine Tiere, Insekten oder Schnecken werden sorgsam ausgewählt und überlegt in die Komposition integriert. Leitend ist bei diesem Prozess die präzise ästhetische und inhaltliche Vorstellung der Künstlerin, die auf jegliche digitale Nachbearbeitung der Fotografien verzichtet. Ihre Motive erinnern unmittelbar an die traditionelle Stilllebenmalerei. Dabei macht sie sich das subtile Spannungsverhältnis zunutze, das aus dem Gegensatz der puren Realität der Dinge und der Möglichkeit ihrer symbolischen Deutung entspringt. Jeder Gegenstand kann gleichzeitig auch als Zeichen gelesen werden. So schafft sie in ihren Bildern ein Geflecht variierender Bedeutungs-Zusammenhänge. Eine wesentliche inhaltliche Dimension erschließt sie durch das Einfügen menschlichen Haares in das Bild. Manchmal kunstvoll geflochten oder zu einem filigranen Netz geknüpft, dann wieder dezent als Schleife drapiert oder locker als Lesezeichen in ein Buch eingelegt. Das menschliche Haar steht hier als pars pro toto, als Repräsentant der abwesenden Person selber. Auch ihm wird gemeinhin große symbolische Bedeutung beigemessen. Als Ausdruck von Lebenskraft überdauerte es als magische Körperreliquie oftmals Jahrhunderte. Als Liebes- oder Freundschaftspfand verweist es auf weitere psychologisch bedeutsame und emotional besetzte Sphären. Das stilllebenhaft arrangierte Bildgefüge erweitert sich damit zu einem vielschichtigen Kommentar. Die Bildgegenstände werden zu begleitenden Attributen der Personen selber. Auf diese Weise gelingt Diane Welke in ihrer fotografischen Serie „es ist alles ganz eitel“ eine singuläre Verschmelzung von Stillleben und Portraitkunst.

Steffen Neuburger, Kunsthistoriker

 
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Künstlerforum Bonn 2012
 
     

dann bist du nicht mehr
„Wenn du noch einmal mein Grundstück betrittst, dann bist du nicht mehr“ (Aus einem Streitprotokoll unter Nachbarn)

Die fotografierten Szenen spielen sich im gutbürgerlichen Milieu ab, sie wirken zunächst einmal vertraut und banal, und erst der nachhakende Blick löst allmählich eine Irritation und dann Befremden aus. Da sticht eine ältere Frauenhand Kekse aus einem Stück plattgerollten rohen Fleisch; ein älterer Mann lässt die Füße über den Hackfleischteppich seines Schlafzimmers baumeln... Das deplaziert eingesetzte rohe Fleisch steht zum Einen für das Ungezähmte, Wilde, Instinkthafte und Triebbestimmte von Auseinandersetzungen. Es erinnert auch daran, dass tote Tierkörper in Streitigkeiten auch selbst zur Waffe werden können: Da werden Kadaver gepfählt, tote Tiere verbrannt, wird Nachbars Haustier vergiftet oder verdorbenes Fleisch über den Zaun geworfen... Denn wenn Menschen ihre Reviere verteidigen, greifen keine sozialen Regeln mehr. Das Archaische tritt unkontrolliert zu Tage, reiner Instinkt übernimmt die Oberhand und nackte Emotion besiegen den „gesunden Menschenverstand“.

Manuela Lintl, Kunsthistorikerin

 
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LOCALIZE - Das Heimatfestival, Potsdam, 2011
 
     

milch eier brot

Fein säuberlich in Schönschrift notiert oder achtlos auf ein herausgerissenes Papier gekritzelt, akkurat abgehakt oder impulsiv durchgestrichen – Einkaufszettel sind schon auf den ersten Blick kleine Psychogramme ihrer Verfasser. Und die Dinge, die beim Einkauf auf keinen Fall vergessen werden sollen, haben auch so einiges zu erzählen: ob an erster Stelle „Alk“ steht oder in altmodischem Sütterlin „Pfefferminztee“ gewünscht wird, macht einen Unterschied. Aus solchen achtlos weggeworfenen aber vielsagenden Zetteln, die sich immer mal wieder in leeren Einkaufswagen auf zugigen Supermarktparkplätzen ansammeln oder auf der Straße zu finden sind, entwickelt Diane Welke die Stillleben ihrer Serie „milch eier brot“. Aufgehoben, mitgenommen und archiviert, dürfen sie später eine tragende Rolle in ihren kleinformatigen Arrangements mit Tischdecken, Platzsets und Lebensmitteln übernehmen. In den manchmal berührend zerbrechlichen, oftmals üppig bunten oder auch spröde kühl daher kommenden Kompositionen aus blutigen Beinscheiben, benutzten Teebeuteln und konfektionierten Netzzitronen werden die von der Alltagsgeschichte längst überholten Erinnerungsstützen zu neuem Leben erweckt. Bereitwillig geben sie nun Auskunft über die Bedürfnisse, Vorlieben oder gar Sehnsüchte ihrer anonym bleibenden Verfasser. Diane Welke richtet ihre künstlerische Aufmerksamkeit auf das zumeist Übersehene und Unbedeutende. Es sind nicht die seltenen Höhepunkte sondern es ist die immergleiche Alltagsroutine, die sie interessiert. Mit einer deutlich spürbaren Melancholie werden dabei die oftmals ziemlich eng abgesteckten Grenzen des täglichen Lebensvollzugs in den Blick genommen: der Wunsch nach Ordnung und Überschaubarkeit, nach einer manchmal ziemlich eigenwilligen Form von Schönheit, vor allem aber nach Orientierung und Halt. Wie schwer es doch fällt, die Freiheit des Augenblicks zu erhalten – Diane Welke zeigt es uns.

Martina Padberg, Kunsthistorikerin

 
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Darmstädter Tage der Fotografie, 2010
 
     
     
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